Ein heute 36-jähriger Brite kennt im englischen Clubfußball keine andere Zählweise: in der Saison 1981/82 wurden erstmals in der First Division für einen Sieg 3 Punkte vergeben, nachdem man beinahe 100 Jahre hindurch der siegreichen Mannschaft 2 Punkte zuerkannte.
Weshalb wurde diese Änderung damals vorgenommen? Was hat sie gebracht und wie hat sich das Spiel verändert? Wir wollen einen Blick auf die Übergangsphase des Punktesystems in England, später auch in Italien, Deutschland und Spanien werfen.
Kürzlich bin ich in David Sumpters Buch „Soccermatics“ * auf eine interessante Sache aufmerksam geworden. Er erklärt die Einführung der 3-Punkte Regel sinngemäß auch damit, dass es für das schwächere Team nun einen größeren Anreiz gäbe und theoretisch mehr Angriffsfußball gespielt werden würde:
The three-point system provides more incentive for the weaker side, and the result – in theory – is a more attacking form of football.
Und ein für die Fans attraktiveres Spiel konnte die Football Association (FA) Anfang der 80er Jahre gut brauchen. Die Zuschauerzahl in den Stadien hat sich seit den 50er Jahren beinahe halbiert und die 70er waren das Jahrzehnt mit den wenigsten Toren in der obersten Spielklasse. In der FA dachte man daher wie Jimmy Hill ** oder Maggie Thatcher -„There is no alternative“, und führte das 3-Punkte System ein.
In seiner Analyse der Übergangsphase vom 2-Punkte System zum 3-Punkte System, den Spielsaisonen von 1975 bis 1985, lobt Sumpter dabei die Verheißungen von Jimmy Hill, indem er zeigt, dass die Anzahl der Unentschieden in den Spielsaisonen mit der 3-Punkte Regel signifikant nach unten ging und die durchschnittlich erzielten Tore je Spiel leicht gestiegen sind.
Wow. Ich war verblüfft, denn erstens hatte ich als Österreicher bis Mitte der Neunziger Jahre (bis zur WM 1994) mit dem 3-Punkte System überhaupt keine Erfahrung, und zweitens hätte ich bis heute nicht den Eindruck, dass die 3-Punkte für den Sieg wirklich einen deutlich offensiveren Spielstil gebracht hätten.
Umso interessanter daher, ein paar Zahlen und Daten zu erheben und vielleicht etwas genauer hinzusehen, als dies in den Soccermatics-Ausführungen zu lesen sind.
Die erste Frage, die ich mir stellte: woran kann man eigentlich erkennen, dass es zu einer offensiveren, angriffsforcierenden Spielweise der Teams in einer Meisterschaft kommt?
Sumpter nennt dabei die Anzahl der Unentschieden und die geschossenen Tore. Die ‚Anzahl der Unentschieden‘ anstatt alternativ ‚Anzahl der Siege‘ (=Anzahl der Niederlagen) heranzuziehen hat mich etwas irritiert. Noch dazu, wo sich für die Zählweise eines Unentschiedens nichts geändert hat. Nach wie vor wird dafür 1 Punkt für jedes Team vergeben. Dem dürfte daher die Annahme zu Grunde liegen, dass Unentschieden generell langweilig sind oder jedenfalls langweiliger als ein Spiel mit Gewinner und Verlierer.
Man könnte auch noch die Anzahl der Angriffe, Eckbälle, Straf- und Freistöße, Torschüsse, etc. als Indikatoren heranziehen. Aber angesichts dessen, dass im Fußball ohnehin nur Tore die Art des Spielausgangs entscheiden, können wir uns in der Analyse tatsächlich auf die Parameter ‚Anzahl der Siege‘, ‚Siege-Unentschieden-Relation‘ und ‚Anzahl erzielter Tore‘ konzentrieren.
Starten wir also unsere Analyse der 3-Punkte Regel dort, wo alles begann: in der höchsten englischen Spielklasse, … (Weiterlesen)
* David Sumpter „Soccermatics- Mathematical Adventures in the Beautiful Game”, Bloomsbury Sigma, 2016
** Jimmy Hill (1928-2015): Englischer Fußballer, Spielergewerkschafter, Manager und vor allem legendärer Fernsehmoderator (Match of the Day)