Die Einführung der 3-Punkte Regel 1995/96 in der höchsten deutschen Spielklasse und ihre (Nicht-) Effekte. Die Bundesliga hat sich als ‚unterschiedsresistent‘ gegenüber dem neuen Belohnungssystem erwiesen.
Nicht umsonst verlieren viele Fußballkenner in Deutschland kaum ein gutes Wort für die 3-Punkte Regel. Nirgendwo sonst lassen sich so wenige Vorher-Nachher Effekte überhaupt feststellen. Weder in die eine, noch in die andere Richtung.
Und dennoch zeigten sich mit der Einführung des 3-Punkte Systems ähnliche Tendenzen, die wir auch schon in unseren Betrachtungen zur höchsten englischen und italienischen Liga feststellen konnten.
Zur Ausgangslage: in den letzten 5 Spielsaisonen, in der ein Sieg noch 2 Punkte auf dem Mannschaftskonto der Tabelle brachte, gab es 5 unterschiedliche Meister: 1. FC Kaiserslautern, VfB Stuttgart, Werder Bremen, Bayern München und BVB Dortmund hießen die Meister von 1990/91 bis 1994/95. Ein Bild, das es seither in keiner einzigen (beliebigen) Periode über fünf Spielsaisonen wieder zu sehen gab. Nur in den 50er und 60er Jahren trat eine solche Meisterkonstellation häufiger ein.
Vorher und Nachher: Immer 2,9 Tore je Spiel
Zurück zum relevanten Vergleich der 5 Meisterschaften von 1990/91 bis 1994/95, wo noch nach dem 2-Punkte System gezählt wurde, mit jenen ersten 5 Meisterschaften 1995/96 bis 1999/2000 nach dem 3-Punkte System. In absoluten Zahlen ist ein Vergleich nicht angebracht, da die Spielsaison 1991/92, anders als alle anderen Saisonen in der Bundesliga von 20 Mannschaften in 38 Spielrunden bestritten wurde. Vorher und nachher wurde der Meister in 34 Spielrunden von 18 Mannschaften gekürt. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass in der 5-Jahresperiode mit der 2-Punkte Regel kumuliert sogar insgesamt mehr Tore erzielt wurden, als später nach der 3-Punkte Regel. Vergleichen wir aber daher die Tore je Spiel, wie sie uns Tabelle 1 zeigt:
Tabelle 1
Wie man sehr leicht erkennen kann, gibt es kaum einen Unterschied. Einzig das jeweilige Meisterteam schießt mit Einführung des 3-Punkte Systems mehr Tore je Spiel. Alle anderen Kennzahlen sind auf die erste Kommastelle genau gleich. Weder werden insgesamt mehr Tore geschossen, noch schießen die besten 3 Teams oder die schlechtesten 3 Teams unterschiedlich viele Tore. Selbst die 3 jeweils besten Torschützen einer Saison treffen im Durchschnitt statistisch genau 1,6 – der Torschützenkönig genau 0,6 Mal je Spiel.
Und noch interessanter ist es, wenn man sich diesbezüglich die jüngere Entwicklung, die Spielsaisonen 2011/12 bis 2015/16 in der Bundesliga ansieht:
Tabelle 2
Also wenn es so etwas wie beratungsresistente Manager gibt, dann könnte man meinen, die Bundesliga sei ‚3-Punkte resistent‘. Zumindest was die Anzahl der Tore in einem Spiel angeht. 2,9 Treffer fallen im Durchschnitt je Spiel – etwas überspitzt: immer, egal wann. Und im Übrigen ist das auch genau der Durchschnittswert der aktuell beendeten Saison 2016/17. (Anmerkung: wir führen die 5 Jahre 2011/12 bis 2015/16 nur aus Vergleichbarkeitsgründen mit schon bestehenden Tabellen aus Italien und England an).
Aber was man im Vergleich der Tabellen 1 und 2 gezeigten durchschnittlich erzielten Toren auch gut ablesen kann ist die eindeutige Tendenz, welche Teams nun mehr Tore schießen. Gab es zunächst nur einen Anstieg beim jeweiligen Meisterteam von 1,9 auf 2,1, steigt dieser Durchschnittswert in den vergangenen 5 Saisonen auf 2,5 Treffer. Und die besten 3 Teams schießen mittlerweile auch mehr Tore (2,2 je Spiel). Lediglich der Durchschnittswert der drei schlechtesten Mannschaften fällt leicht auf 1,0. Nicht viel, aber doch.
Somit können wir, ähnlich wie in unseren Darstellungen zur italienischen und englischen Top-Liga auch in Deutschland feststellen: nur die Besten schießen mehr Tore, den schlechtesten Teams fehlt im wahrsten Wortsinn das Vermögen, Tore zu schießen.
Wie sieht es mit der Entwicklung der Siege-Unentschieden Relation aus?
Mit der Einführung des 3-Punkte Systems in der zweiten Hälfte der 90er Jahre hat sich diese Relation nur marginal auf 71:29, von 69:31 zugunsten der Sieganzahl verschoben. In der jüngsten Vergangenheit sind wir hier mittlerweile bei 76:24. Die Anzahl der „0:0“-Spielausgänge hat sich von 8% auf nun 6% aller Partien reduziert. Diese leichten Veränderungen sprechen freilich auch in schwächerem Ausmaß für die 3-Punkte Regel, sofern das auch vorher beabsichtigt war.
Aber auch hier stellen sich die wichtigeren Fragen: Wollte man damals bei der Einführung, dass das jeweilige Meisterteam noch viel häufiger gewinnt? Nicht bloß durchschnittlich 55% ihrer Partien (2-Punkte System), sondern 61% (Einführung 3-Punkte System), oder gar 80% heute! Oder dachte man eher daran, dass auch schwächere Teams mehr Anstrengungen unternehmen können (vs. werden), um auf Sieg zu spielen?
Ist es ein gewünschter Effekt, dass wir immer die gleichen Meister sehen? In den letzten 20 Spielsaisonen ist der FC Bayern München 13 Mal deutscher Meister geworden, von den letzten 5 Meisterschaften haben sie 5 für sich entschieden.
Wer wird im nächsten Jahr deutscher Meister?
– Kann diese Frage ernst gemeint sein?
Die Dominanz des FC Bayern München ist bestimmt nicht auf eine 3-Punkte Zählweise für den Meisterschaftssieg zurückzuführen. Doch wenn die 3-Punkte Regel (auch in Deutschland) einen Effekt hat, dann diesen, dass mit ihrer Einführung die Vorhersehbarkeit gestiegen ist. Und offenbar ist diese Vorhersehbarkeit immer noch äußerst unterhaltsam. Sonst würden in der Bundesliga nicht immer über 41.000 Menschen im Schnitt ins Stadion kommen.