Start der 3-Punkte Regel in der Serie A 1994/95 und ihre Auswirkungen heute
Italien hat als zweites Land mit einer europäischen Top-Liga, doch mit über 10jähriger Verspätung gegenüber England, das 3-Punkte System eingeführt.
1994, als uns „Mmm Mmm Mmm Mmm“ von den Crash Test Dummies noch in den Ohren lag und „I Swear“ (All-4-One) in Österreich und Deutschland die Charts anführte, sangen in Italien zu Meisterschaftsanpfiff Nene Cherry und Youssou N’Dour „7 Seconds“ täglich im Radio. Die Serie A fing an nach der 3-Punkte Regel zu zählen und mit diesem noch heute gültigen Incentivierungssystem den Meister zu bestimmen. Am Ende sollte Juventus Turin den italienischen Meisterpokal, erstmals seit 1986 (mit Michel Platini), stemmen.
Auch wenn es schwer zu glauben ist, Gianluigi Buffon stand 1994 noch nicht im Tor von Juventus Turin. Das war noch die Zeit von Angelo Peruzzi. Zum Meisterteam von Marcello Lippi zählten außerdem klingende Namen wie Alessandro del Piero, Fabrizio Ravanelli, Gianluca Vialli, Didier Dechamps, Paulo Sousa oder Antonio Conte (ja, genau der).
Was hat sich mit der Einführung der 3-Punkte Regel in der Serie A geändert? Gab es ähnliche Entwicklungen wie in England?
Nun, anders schien schon die Ausgangslage: Die höchste italienische Liga war gekennzeichnet von wenig Toren und vielen Unentschieden, und davon wiederum zählte ein 0:0 zum Standardresultat.
Aber sehen wir uns ein paar Zahlen der Liga wieder etwas genauer an und vergleichen wir die letzten 5 Meisterschaften von 1989/90 bis 1993/94, wo noch nach dem 2-Punkte System gezählt wurde, mit jenen ersten 5 Meisterschaften 1994/95 bis 1998/99 nach dem 3-Punkte System. In beiden 5-Jahres Perioden bestand die Serie A aus 18 Mannschaften, die Meisterschaft war nach 34 Spielrunden entschieden.
Tabelle 1 zeigt uns gleich erste Unterschiede:
Tabelle 1
Im neuen 3-Punkte System werden deutlich mehr Tore geschossen. Gleich 80 mehr je Saison. Von durchschnittlich 736 erzielten Toren in der 2-Punkte Zählweise auf nunmehr ca. 816 im 3-Punkte System. Dabei gelingt es vor allem den Top-Teams (jeweils am Ende der Saison) deutlich mehr Tore zu schießen, nämlich im Schnitt 175 anstatt 163 zuvor. Ebenso lag der Torschnitt der jeweiligen Meister höher – nunmehr 59 Tore je Saison und auch die Top Torschützen legten entsprechend zu.
Die schwächsten Mannschaften (die 3 schlechtesten Teams) schießen hingegen etwa gleich viele Tore (zusammen durchschnittlich 93 je Saison).
Mehr Tore in Italien
Anstatt der durchschnittlichen 2,4 Tore je Spiel werden nach Einführung der 3-Punkte Regel 2,7 Tore geschossen, wie Tabelle 2 zeigt.
Das ist ein, vor allem im Vergleich zu England, deutlicher Unterschied. Die besten 3 Teams der Liga schießen nunmehr im Schnitt 1,7 anstatt 1,6 Tore je Spiel. Dieser Unterschied fällt nur durch die außergewöhnliche Saison 1996/97 nicht deutlicher aus. Der jeweilige Meister erzielt nun 1,8 Tore je Spiel und die 3 besten Torschützen schaffen am Ende der Saison nun im Schnitt genau 2,0 Tore je Spiel.
Tabelle 2
Der Anreiz mehr Tore zu erzielen und ein Spiel zu gewinnen, weil es dafür 3 anstatt bisher 2 Punkte gibt, scheint voll zu greifen. Wir können feststellen, dass ein eindeutiger 3-Punkte Regel Effekt für die Serie A, gemäß den Erwartungen eines offensiveren Spiels mit mehr Toren, eingetreten ist. Doch mit einem (vielleicht) unerwünschten Effekt: die Top Teams profitieren, die schwächeren Teams – jene Teams, die sich am Ende der Saison zu den Absteigern zählen dürfen – kommen nicht heran, treffen mit 0,9 Toren im Durchschnitt genauso oft wie zuvor und schaffen es vor allem auch nicht mehr Siege zu landen.
Die Anzahl der Siege verharrt bei den letzten Drei auf insgesamt 17 im Durchschnitt. Die 3 Top-Teams hingegen schaffen auch hier einen Anstieg von 55 auf 57 Stück. Ähnlich verhält es sich bei den relativen Vergleichszahlen. Die Top-Teams gewinnen nun 56% (anstatt 54%) ihrer Spiele, die ‚Flop‘-Teams können sich kaum steigern.
Statt 64% der Partien mit Sieger 72% mit Einführung der 3-Punkte
Während in der Serie A bei der Einführung der 3-Punkte Regel die Anzahl der Siege insgesamt deutlich angestiegen ist, hat sich adäquat dazu die Anzahl der Unentschieden, von 36% auf nunmehr 28%, reduziert. Die „0:0“-Spielausgänge fielen von 12% auf 9%. So gesehen ist die Einführung der 3-Punkte Regel als wahrer Segen zu betrachten.
Und wie sieht die aktuelle Entwicklung in der Serie A aus?
Eines ist sehr interessant. Der Torschnitt je Spiel ist in den abgelaufenen Saisonen 2011/12 bis 2015/16 wieder auf 2,6 zurückgegangen (verglichen mit den 2,7 der Einführungsperiode zum 3-Punkte System). Aber, und das ist noch viel interessanter: die Top Mannschaften setzen sich noch viel deutlicher von den schlechtesten Mannschaften in der Meisterschaft ab.
Tabelle 3
Das Meisterteam schießt heutzutage im Schnitt 1,9 Tore je Spiel. Zur Erinnerung, bei der Einführung der 3-Punkte Regel waren es 1,8, zuvor 1,7. Die 3 besten Teams am Ende der Saison treffen aktuell im Schnitt ebenso 1,9 mal je Spiel. Zuvor 1,7 bzw. 1,6 mal. Und das, obwohl insgesamt, wie gesagt, wieder weniger Tore fallen.
Weniger Tore in der Liga – doch mehr Tore und Siege der Top Teams
Eine ähnliche Entwicklung sehen wir in der Sieg-Unentschieden Relation. Die bleibt in der 5 Jahres Periode 2011/12 bis 2015/16 im Vergleich zu den Spielsaisonen 1994/95 bis 1998/99 mit 73% zu 27% ziemlich gleich (zuvor 72% zu 28%). Aber: das jeweilige Meisterteam gewinnt mittlerweile im Schnitt 73% aller Saisonspiele anstatt 60% und die Top 3 Teams nunmehr durchschnittlich 63%, statt 56% knapp 20 Jahre zuvor.
Nur eines bleibt unverändert: die drei schlechtesten Erstligisten schießen bloß 0,9 Tore je Spiel und sie gewinnen durchschnittlich bloß 17% ihrer Partien.
Der Trend, dass schlechtere Teams mit den besten Teams in der höchsten Spielklasse nicht mehr mithalten können, setzt sich also in noch deutlicherem Ausmaß fort. „Geld schießt Tore“, heißt die Devise in Italien. Die Top Teams werden noch stärker, demonstrieren mit noch mehr Siegen ihre Vormachtstellung. Unentschieden sind nahezu „abgeschafft“. Nutznießer sind die Top Teams, denn sie allein schaffen es tatsächlich, aus einem Unentschieden einen Sieg zu machen und die dafür notwendigen Tore zu erzielen.
Die Alte Dame – damals wie heute
Mittlerweile steht in der Saison 2016/17 der neue Italienische Meister fest. Er heißt, wenig überraschend, Juventus Turin. Wie auch schon die 5 Jahre zuvor. Wie auch 1994/95, bei der Einführung der 3-Punkte Regel in der Serie A.