Das 3-Punkte System wurde in England in der Saison 1981/82 eingeführt und bis heute beibehalten. Welche Effekte hatte es damals auf die Liga-Spielresultate und was zeigen uns vergleichsweise dazu die aktuellen Premier League Ergebnisse?
Starten wir also unsere Analyse der 3-Punkte Regel dort, wo alles begann: in der höchsten englischen Spielklasse, konkret mit der Analyse der Meisterschaften von 1976/77 bis 1985/86. Das sind vergleichsweise jene 5 Saisonen, in der noch nach der 2-Punkte Regel gespielt wurde, und jene 5 Saisonen, in denen erstmals nach dem 3-Punkte System gezählt wurde.
Wir können bemerkenswerte Unterschiede entdecken. In Tabelle 1 führen wir neben der Anzahl geschossener Tore in allen Spielen, die Tore des Meisters, die Tore der besten 3 bzw. der schlechtesten 3 Teams am Ende der Meisterschaft, die Tore der drei besten Torschützen so wie die Tore des Schützenkönigs. Die absoluten Zahlen dieser 10 Spielsaisonen lassen sich außerdem schön vergleichen, weil es gleich viele Spielrunden je Saison, nämlich 42 gab.
Tabelle 1
Wie man aus Tabelle 1 gut erkennen kann, ist die durchschnittliche Anzahl an Toren in allen Spielen insgesamt um rund 50 Tore gestiegen. Wir möchten das noch nicht bewerten. Fakt ist auch, dass die drei besten Teams am Ende der Meisterschaften nach der Einführung der 3-Punkte Regel mehr Tore geschossen haben (durchschnittlich 226 zu 208 Tore), hingegen die drei schlechtesten Mannschaften, die Absteiger also, durchschnittlich in ähnlichem Verhältnis entsprechend weniger (ca. 113 zu 125 Tore zuvor). Das Team der jeweiligen Meister schoss durchschnittlich ebenso in den ersten 5 Saisonen mit der 3-Punkte Regel mehr Tore, wie auch die jeweiligen Top Scorer und auch Top 3 Scorer.
Die erzielten Tore je Spiel sind also von durchschnittlich 2,6 (2-Punkte Regel) auf 2,7 (3-Punkte Regel) gestiegen. Auffallend ist allerdings, dass vor allem die Top-Mannschaften und die Top-Spieler mehr Tore schießen, die schlechtesten 3 Teams jedoch weniger (siehe Tabelle 2).
Tabelle 2
Gewaltig geändert scheint sich außerdem die Relation von Spielen mit einem Sieger (entsprechend auch einem Verlierer) zu unentschiedenen Spielen zu haben. Von durchschnittlich 71:29 in den Jahren 1976/77 bis 1980/81 bis zu 75:25 in den Jahren 1981/82 bis 1985/86. Die Unentschieden haben also, wie David Sumpter bereits zeigt, von 29% auf 25% aller Spiele reduziert. Spielausgänge mit 0:0 sind insgesamt von 9% auf 7% zurückgegangen.
Statt 71% der Partien mit Sieger nunmehr 75%
Unverändert blieb hingegen die Relation an Siegen bei den Top 3 Teams, den Meistern und auch den Low 3 Teams (=Absteigern).
Alles in allem deuten diese Zahlen tatsächlich darauf hin, dass offensiver, also mehr Angriffsfußball gespielt wird. Die Richtung seit der Einführung der 3-Punkte Regel stimmt, so scheint es.
Bei genauerer Betrachtung allerdings mit dem Wehrmutstropfen, dass es nun gleichzeitig größere Unterschiede zwischen den besten und den schlechtesten Teams zu geben scheint: die besten werden noch besser, in Relation dazu die schlechtesten Teams noch schlechter. Die Liga driftet also qualitätsmäßig eher auseinander.
Ob das so gewollt war? Ob das die verantwortlichen Funktionäre in der FA heute wollen?
Damals schien sich das Extremere nur abzuzeichnen, wir sehen aber auch heute noch deutlicher das Resultat jener Entwicklung, die mit der Einführung der 3-Punkte Regel begonnen hat.
In vergangenen 5 Spielsaisonen der Premier League (höchste Spielklasse in England) hat sich im Vergleich zu den 1980ern das „neoliberale“ System im Fußball maßgeblich verstärkt. Die wirtschaftlichen Gegebenheiten der Top-Klubs im Vergleich zu den Mitläufern fördern diese größer werdende Kluft.
2011/12 bis 2015/16 weniger Tore als 1976/77 bis 1980/81
So haben wir in den Spielsaisonen 2011/12 bis 2015/2016 je Spiel wieder weniger Tore gesehen. Der Durchschnittswert von 2,5 der vergangenen 5 Jahre liegt mittlerweile sogar wieder unter dem Wert der letzten 5 Spielsaisonen mit dem 2-Punkte System!
Die Top 3 Klubs und die jeweiligen Meister schießen aber dabei noch viel mehr Tore, die Absteiger verharren bei ihren durchschnittlichen 1,0 Toren je Spiel, wie Tabelle 3 zeigt.
Tabelle 3
Die Sieger-Untentschieden Relation bleibt im Vergleich zur Einführung der 3-Punkte Regel unverändert bei 75:25. Das Meisterteam gewinnt heute allerdings nicht mehr bloß durchschnittlich 61% seiner Spiele, sondern nunmehr 69% der Spiele. Die Top 3 Mannschaften nicht mehr 57%, wie noch in den 80ern, sondern 64%. Die Verlierer sind in mehrfacher Hinsicht die Absteiger, auch in dieser Relation fallen sie von 22% gewonnener Spiele auf 19%.
Die Top 3 Mannschaften der Liga gewinnen heute durchschnittlich 64% ihrer Spiele
Die theoretische Begründung, dass für schwächere Teams der Anreiz auf Sieg zu spielen zu mehr attraktiveren Fußball führen würde, hat sich daher bis heute in der Praxis nicht bewahrheitet. Die Wahrscheinlichkeit, dass schwächere Teams mehr Siege in einer Saison herausspielen und mehr Tore erzielen ist sogar deutlich gesunken.
Die oberste Spielklasse in England entwickelte sich also zu einem Mehrklassen System innerhalb der Liga – die Richtung heißt „The Winners take it all“. Man müsste die Auswirkungen dessen, was in den 80er Jahren mit der Einführung der 3-Punkte begonnen hat, nun deutlich erkennen.
Für mich weisen diese Vergleichsdaten auf eine konsequente Inkonsequenz der Ligaverantwortlichen hin. Wenn man behauptet, dass die 3-Punkte Regel in Englands höchster Spielklasse attraktiveren, offensiveren Fußball mit mehr Toren gebracht hat, muss man anhand der Datenlage auch anerkennen, dass nur die besten Mannschaften davon profitieren.
Ist man der Meinung, das 3-PunkteSystem macht keinen Unterschied, so könnte man ja ebenso wieder auf ein 2-Punkte System zurückgehen. Man könnte sogar behaupten eine Änderung des Punktesystems selbst bringe für die ersten Jahre eine höhere durchschnittliche Toranzahl – unabhängig von der Richtung.
4 Punkte für den Sieg ?
Und wenn damals in den frühen 80er Jahren das Sinken der erzielten Tore je Spiel für die Einführung der 3-Punkte Regel ohne Alternative schien, so muss man auch erkennen, dass man heute mit einem noch geringeren Torschnitt leben muss, und nach der Incentivierungslogik der 80er Jahre vielleicht wieder auf ein „noch attraktiveres“ Punkte-System umstellen müsste – also etwa 4 Punkte für den Sieg?!
Interessanterweise gibt es derzeit (noch) keine Diskussion darüber, das bestehende 3-Punkte System anzutasten. Die großen, noch reicheren Top-Vereine sehen wahrscheinlich keinen Grund sich hier innerhalb der FA für ein neues System einzusetzen. Ein Zählsystem, das ihre Vormachtstellung in irgendeiner Form untergraben könnte. Der nicht vorherzusehende Meistertitel von Leicester City 2015/16 war schon ein zu viel an finanzieller Unkontrollierbarkeit.
Hingegen hat die FIFA, allen voran ihr Präsident Gianni Infantino, mit dem Regeländerungsvorschlag bei WM-Endrunden ab 2026 eine derartige Diskussion bereits indirekt angezettelt. Denn sobald eine Gruppe nur mehr aus 3 Mannschaften bestehen würde und die Aufsteiger aus bloß 2 Vorrundenspielen ermittelt werden würden, spielt es auch keine Rolle mehr, ob für einen Sieg 3 oder bloß 2, oder wie viel Punkte (> 1) auch immer vergeben werden.
Vielleicht führt das diesmal in Deutschland, wo es immer wieder zu kritischen Kommentaren vieler Fußballexperten zur 3-Punkte Regel kam, zu einem baldigen Vorstoß seitens des DFB und der Bundesliga auf ein neues Zählsystem mit einer Neubewertung eines Meisterschaftssieges. Die Begründung könnte ein vielzitiertes „alternativlos“ der deutschen Kanzlerin Angela Merkel sein.
Wie wir noch erläutern werden, zeigte die Einführung der 3-Punkte Regel in Deutschland, Italien und Spanien mit Verspätung (1994-1995) ähnliche Auswirkungen der hier aufgezeigten Extrementwicklung im englischen Fußball, mit im Detail aber doch äußerst unterschiedlichen Ergebnissen.
Egon J. Swoboda says
Interessanter Diskussionsbeitrag – Vielleicht sollte man je nach Höhe der Budgets oder Kaderwertes Handikaps einführen?