Atletico Madrid hieß der erste Meister in Spanien nach Einführung der 3-Punkte Regel 1995/96. Die Saison davor gewann Real Madrid, die Saison danach Real Madrid. Zwei Saisonen zuvor ging der Meisterpokal an den FC Barcelona, ebenso wie zwei Saisonen danach. Bleibt also alles beim Gleichen. Und doch zeigte das 3-Punkte System kurzfristig die gewünschte Wirkung.
Die Einführung der 3-Punkte Regel mag auch in der höchsten spanischen Spielklasse umstritten gewesen sein. Der theoretisch erwünschte Effekt, nämlich weniger Unentschieden, noch dazu weniger „0:0“-Partien, ging zunächst auf. Entsprechende Resultate stellten sich kurzfristig ein.
Bei der Ergebnisrecherche für diese Kurzanalyse war für mich besonders erstaunlich, dass es in den fünf Saisonen vor Einführung der 3-Punkte Regel in der Primera División so viele Unentschieden und vor allem “0:0”-Spielausgänge gab. Selbst die Serie A verzeichnete in den letzten fünf 2-Punkte Jahren nur unwesentlich mehr “0:0”-Partien – dort waren es 12% aller Spielausgänge, verglichen mit 11% in Spanien. Gleichzeitig wurden aber auch schon damals in Spanien durchschnittlich mehr Tore pro Spiel geschossen.
Was änderte sich durch die 3-Punkte? Und wie sieht die aktuelle Entwicklung in der Primera División aus?
Aufgrund der unterschiedlichen Anzahl an Teams – in den ersten beiden Jahren der 3-Punkte Regel Einführung gab es 42 Spielrunden, vorher und danach 38 – ist ein Vergleich in absoluten Zahlen nicht angebracht. Tabelle 1 zeigt daher die durchschnittliche Anzahl an Toren je Spiel – von 1990/91 bis 1994/95 noch mit der 2-Punkte Regel, in den Saisonen 1995/96 bis 1999/00 mit der 3-Punkte Regel.
Tabelle 1
Und siehe da, es wurden zwar nicht mehr Tore geschossen, aber es lässt sich ein Trend ablesen: dass nämlich die besten 3 Teams mit Einführung des 3-Punkte Systems weniger Tore erzielt haben, nur noch 1,8 Tore je Spiel, die schlechtesten Teams hingegen mehr: 1,0 Tore im Schnitt, gegenüber 0,8 Tore zuvor. Und auch das jeweilige Meisterteam erzielte im Durchschnitt sogar weniger Tore. Insgesamt änderte sich mit 2,7 Toren je Spiel zwar nichts, aber es scheint so zu sein, dass die schwächsten Teams angespornt wurden, Tore zu schießen.
Wie erwähnt haben gleichzeitig die „0:0“-Partien abgenommen. Von durchschnittlich 11% aller Partien in den letzten fünf Jahren mit der 2-Punkte Zählweise auf 9% in den ersten fünf Jahren mit der 3-Punkte Zählweise. Die Unentschieden blieben insgesamt unverändert, sodass der Quotient aus Sieg und Unentschieden vorher wie nachher bei 72:28 liegt.
Und die aktuelle Entwicklung?
Hier kippt es, ähnlich wie auch schon in den zuvor beleuchteten Top-Ligen Europas. In den fünf Spielsaisonen 2011/12 bis 2015/16 gab es deutlich mehr Treffer als in den Vergleichsperioden 15-20 Jahre davor. 3,1 Tore fallen jetzt durchschnittlich pro Spiel. Die besten 3 Teams erzielen mittlerweile 2,5 Tore (statt 1,9 bzw. 1,8) und auch die jeweilige Meistermannschaft bringt es jetzt auf durchschnittlich 2,7 anstatt 2,0 bis 2,2 Treffer. Das sind doch recht deutliche Steigerungen der Trefferquote. Andererseits stagnieren die jeweils schlechtesten 3 Teams der Liga – sie bleiben auf einem Tor (1,0) je Spiel.
Tabelle 2
Eine klaffende Wunde also auch in Spanien. Zwischen den besten drei Teams der Liga und den schlechtesten drei Teams wird der Unterschied deutlicher. Die Besten und Allerbesten treffen viel öfter als früher, die Schlechtesten bleiben auf ihrem Niveau von 1995-2000.
Die Siege-Unentschieden Relation ist in den jüngsten Jahren auf 76:24 gestiegen – nur noch jedes vierte Spiel ist ein Unentschieden. Auch dank der „siegessicheren“ Top-Mannschaften samt Torqualitäten ihrer Stürmer. Mit dem Rückgang der Unentschieden haben zudem gleichzeitig die „0:0“-Partien noch mehr abgenommen. Waren es mit der Einführung der 3-Punkte Regel doch noch 9% aller Partien, endeten zwischen 2011/12 und 2015/16 nur noch 7% aller Spiele 0:0. Das ungeliebte torlose Remis tritt also noch seltener auf, als in den ersten 5 Spieljahren mit der 3-Punkte Regel. Offensichtlich ist der Effekt einer klaffenden Vermögensschere zwischen den besten und schlechtesten Teams hinsichtlich der “0:0”-Spielausgänge höher als der Umstieg von ein 2 auf 3 Punkte für einen Meisterschaftssieg in Spanien. Was wiederum die Frage aufwirft, was die 3-Punkte Regel tatsächlich bringt, und welchen Nutzen sie für die Primera División gebracht haben sollte.
Mit Zukunftsprognosen für die Primera División sollte man zwar vorsichtig sein. Dennoch ist nach dieser Analyse eines vorherzusehen: Nur die besten Teams werden weiterhin mehr Tore schießen können und ihre Siegquote steigern bzw. ihr Niveau halten können. Und wir können ausschließen, dass etwa Celta Vigo oder SD Eibar in den kommenden drei Saisonen spanischer Meister werden.
Obwohl – seit dem Meistertitel von Leicester City in der Saison 2015/16 in England ist selbst das nicht mehr unvorstellbar.
Anmerkung: eine andere, zeitgleich stattfindende Änderung im Meisterschaftsmodus 1995/96 wurde alsbald wieder rückgängig gemacht: die Aufstockung auf 22 Mannschaften. Seit der Saison 1997/98 spielen bis heute wieder 20 Teams um den spanischen Meistertitel. Auf eine Rückkehr zur 2-Punkte Zählweise hingegen hat man bislang verzichtet. Obwohl einiges dafür sprechen würde, zumindest aus heutiger Sicht.