Die Spielmacher, die Allerbesten, die Champions
Die Zahl 10 gilt als praktisch, logisch, ordentlich, beruhigend, ehrlich, unerschütterlich, unschuldig und nüchtern.* Symbolisch kann die 10 als perfekte Einheit von männlich (1) und weiblich (0) betrachtet werden. Wir kennen 10 Gebote, jeder Countdown beginnt bei 10 und wenn wir eine Rangliste erstellen, sprechen wir zumeist von den Top Ten.
Eine Fußballmannschaft hat 10 Feldspieler.
Der Spieler mit der Nummer 10 ist erhaben, er strahlt Souveränität am Platz aus und führt Spielentscheidungen herbei.
Nicht umsonst fällt die Wahl zum ‚Fußballer des Jahres‘ (eg. Ballon d’Or) sehr häufig auf einen Spieler mit der Rückennummer 10. Zuletzt auch auf jenen von Real Madrid und Kroatien, Luka Modrić. Man könnte meinen, seit Michel Platini in den 80er Jahren kommen fast nur Spieler mit der Nummer 10 für diese Auszeichnung in Frage. Unter den Top 7 gereihten Spielern des Jahrhunderts von World Soccer 1999** befinden sich gleich 4 Fußballerlegenden mit der Nummer 10. Der mit Abstand zum allerbesten Gewählte: Pelé.
Wenn die 7 im Fußball für Mythos steht, so steht die 10 für Vollendung. Insofern fußen ihre Legenden (hier sind sowohl Spieler, als auch ihre Geschichten gemeint) noch mehr auf Fakten denn Mythen. Fakten, die Spieler mit Rückennummer 10 auch erst mal am Platz schaffen müssen.
Gleichzeitig steht die Rückennummer 10 auch für eine bestimmte Position am Fußballfeld. Selbst vom Juchhe aus im Stadion sollte man sofort den 10er im jeweiligen Team erkennen können: zentrales offensives Mittelfeld oder Angriff. Sollte – denn hier ist es mitunter so, dass der 10er gar nicht mit der Nummer 10 spielt. Also doch nicht so einfach. Wir kommen später noch dazu. Doch was hat es mit der Nummer 10 auf sich? Und weshalb gilt der 10er auch als Spielmacher?
Rückennummern sind Ende der 1930er Jahre zunächst innerhalb einer Mannschaft streng nach der Spielerposition in der taktischen Grundausrichtung vergeben worden. Unabhängig vom System zeigen sich bald die zentralen Mittelfeldpositionen für die Spielgestaltung und offensive Ausrichtung einer Mannschaft für die bedeutendsten. Weil damals die besten im Kader, also die Stammspieler, von der 1 bis zur 11 durchnummeriert worden sind, ist zumeist in der offensiven zentralen Position entweder ein Spieler mit der Nummer 8 oder mit der Nummer 10 zu finden.
Dass die Nummer 10 bis heute noch bedeutender ist, hängt vor allem mit den Spielerpersönlichkeiten Juan Schiaffino (Uruguay) und Ferenc Puskas (Ungarn) – und ganz wesentlich mit ihren Erfolgen zusammen. Diese beiden prägen als Nummer 10 das Spiel ihrer Mannschaften in den 1950er Jahren ehe bei der WM 1958 in Schweden der 17-Jährige Pelé in Erscheinung tritt und so die 10 zu dem macht, was sie bis heute ist.
Puskas, Pelé, Maradona, Platini, Matthäus, Zidane: sie alle waren legendäre 10er, deren Position am Platz sich leicht unterschied. Eines hatten sie jedoch, abgesehen von der Rückennummer, gemeinsam: Sie waren die Chefs.
Ein 10er ist nicht zwingend der Kapitän einer Mannschaft, doch er ist der von allen respektierte Chef. Und im Fußball bedeutet Chefsache, die allerwichtigsten Aufgaben selbst zu übernehmen: Tore schießen oder vorbereiten, Freistöße und Elfmeter verwandeln (herausholen), andere überdribbeln, tödliche Pässe spielen, kurz, Spiele zu entscheiden. Wenn das passiert, zeigt der 10er, wer der Chef am Platz ist. Also auch der Chef der Chefs (der 10er).
Für eine 10 am Leiberl oder für einen 10er am Feld muss man daher das entsprechende Können mitbringen und sich beweisen. In den meisten Fällen verfügt ein 10er über diese besondere Qualität. In den allerseltensten Fällen spielt jemand mit der 10, weil diese Nummer gerade frei geworden ist, oder sie sonst niemand in der Mannschaft will. Jeder, der im offensiven Mittelfeld oder im Angriff spielt, würde gerne die 10 tragen. Ob in der Schülermannschaft, der Jugendauswahl oder bei den Erwachsenen im Club oder Nationalteam.
Obwohl Rückennummern immer mehr variieren und einzelne Nummern stark an früherer Bedeutung verlieren, bleibt dies bei der Nummer 10 ziemlich konstant. Selbst, wenn man unterschiedlicher Auffassung über einen Positions-10er oder einen bestimmten Spieler mit der Nummer 10 ist, sind wahrscheinlich für die meisten aktuellen Spieler mit der Nummer 10 so eindeutig, wie vor zwanzig oder dreißig Jahren. Ausnahmen bestätigen die Regel, speziell bei Spielern, die man als reine Mittelstürmer (z.B. Kane, Agüero) oder Flügelstürmer (z.B. Rashford, Mané) betrachtet.
An anderer Stelle haben wir schon darauf hingewiesen, dass es auch substituierende Rückennummern gibt, die gerne von potenziellen 10ern gewählt werden. Potenziell deshalb, weil sie meistens in der Mannschaftshierarchie nicht für die 10 in Frage kommen, weil sie entweder zu jung sind, oder noch sehr frisch in einem Team sind (vielleicht auch ein Jänner-Transfer). Das sind häufig die 20 oder auch die 5, manchmal aber auch ganz andere Nummern.
Cristian Eriksen etwa, selbst ein typischer Positions-10er, der diese Nummer auch im dänischen Nationalteam trägt, spielt bei seinem Club Tottenham Hotspur mit dem Trikot 23. Die 10 trägt dort Harry Kane. Und eben diesen nennt Eriksen auch als ersten, wenn er seinen perfekten Spieler mit der Nummer 10 beschreibt:
“I’d have the right foot of Harry Kane, my left foot of Alaba, the vision I’ll have of Modric, the skill I’ll have of Neymar and the shot, the shot I’ll have of Messi.” ***
Diese perfekte Nummer 10 würden wir von FIAA auch gerne mal am Platz sehen.
Aktuelle Stars mit der Nummer 10 im Club-Fußball (Auswahl, nach Club alphabetisch gereiht):
Dušan Tadić (Ajax Amsterdam)
Mesut Özil (FC Arsenal)
Angel Correa (Atletico Madrid)
Lionel Messi (FC Barcelona)
Eden Hazard (FC Chelsea)
Mario Götze (BVB Dortmund)
Emil Forsberg (RB Leipzig)
Jonas (Benfica Lissabon)
Sadio Mané (FC Liverpool)
Bertrand Traoré (Olympique Lyonnais)
Paulo Dybala (Juventus Turin)
Luka Modrić (Real Madrid)
Sergio Agüero (Manchester City)
Marcus Rashford (Manchester United)
Dimitri Payet (Olympic Marseille)
Hakan Çalhanoğlu (AC Milan)
Lautaro Martínez (Inter Mailand)
Thorgan Hazard (Borussia Mönchengladbach)
Arjen Robben (FC Bayern München)
Neymar Jr. (Paris Saint Germain)
Óliver Torres (FC Porto)
Éver Banega (Sevilla FC)
Harry Kane (Tottenham Hotspur)
Parejo (Valencia CF)
Keine Nummer 10 vergeben:
(SSC Napoli)
(AS Monaco)
Aktuelle Stars mit der Nummer 10 im Nationalteam (Auswahl, gereiht nach Nation alphabetisch):
Mohamed Salah (Ägypten)
Lionel Messi (Argentinien)
Eden Hazard (Belgien)
Neymar Jr. (Brasilien)
Christian Eriksen (Dänemark)
Julian Brandt (Deutschland)
Raheem Sterling (England)
Kylian Mbappe (Frankreich)
Lorenzo Insigne (Italien)
Gylfi Sigurdsson (Island)
James Rodriguez (Kolumbien)
Luka Modrić (Kroatien)
Memphis Depay (Niederlande)
Louis Schaub (Österreich)
Grzegorz Krychowiak (Polen)
Joao Mario (Portugal)
Granit Xhaka (Schweiz)
Thiago (Spanien)
Giogorian de Arrascaeta (Uruguay)
Fußball-Legenden mit der Nummer 10 (Auswahl, alphabetisch gereiht, Club und/oder Nationalteam):
Ademir da Guia, Adriano, Carlo Ancelotti, Roberto Baggio, John Barnes, Dennis Bergkamp, Coutinho, Joe Cole, Danilo Alvim Faria, Luís Figo, Ruud Gullit, George Haghi, Glen Hoddle, Mark Hughes, Geoff Hurst, Zlatan Ibrahimovic, Mario Kempes, Willi Kreuz, Michael Laudrup, Denis Law, Jari Litmanen, Michael Owen, Pelé, Abédi Pelé, Martin Peters, Alessandro del Piero, Michel Platini, Ferenc Puskas, Erich Probst, Maradona, Lothar Matthäus, Daniele Massaro, Sandro Mazzola, Andreas Möller, Shunsuke Nakamura, Günter Netzer, Ruud van Nistelrooy, Wesley Sneijder, Rivaldo, Rivelino, Gianni Rivera, Robinho, Romario, Ronaldinho, Wayne Rooney, Dejan Savicevic, Juan Schiaffino, Teddy Sheringham, Clarence Seedorf, Francesco Totti, Chris Weah, Zico, Zinedine Zidane …
*Alex Bellos: Warum die Elf hat, was die Zehn nicht hat; Berlin Verlag, 2015
**http://www.englandfootballonline.com/TeamHons/HonsWldSocPlyrsCent.html
“As the year 2000 approached, World Soccer, the English international football magazine established in 1960, conducted a poll of its readers to choose the 100 greatest players of the 20th century. Voters picked their top 10 players in order of preference. Points were assigned to each vote a player gained, 10 points for a 1st place vote, 9 points for a 2nd place vote and so on down to 1 point for a 10th place vote. World Soccer published the poll results in its December, 1999 issue. Predictably, Pele ran away with 1st place.“
*** Videoserie „My Perfect Number 10“ der UEFA mit Christian Eriksen (uefa.com, 2017)