Orientierung, Lufthoheit, Abwehrchef
Feuer, Erde, Wasser, Luft – die vier antiken Elemente des Empedokles.
Adenin, Thymin, Guanin, Cytosin – die vier Nukleinbasen in der DNA.
Vier Ströme – Pischon, Gihon, Hiddekel und Perat – umfließen den Garten Eden.
Wir kennen 4 Urmütter, 4 apokalyptischer Reiter, 4 Erzengel, 4 Evangelisten. Wir teilen ein Jahr in 4 Jahreszeiten und ein Monat in grundlegend 4 Wochen.
Nachdem 4 die erste Quadratzahl nach 1 ist, definiert diese Zahl das für die Menschen einfachste Symbol – das Quadrat. Somit sind auch Quadranten und ein Koordinatensystem geschaffen. Die wichtigsten Koordinaten menschlicher Orientierung sind die 4 Himmelsrichtungen.
Ost-Süd-West-Nord
Orientierung ist gleichzeitig die wichtigste Eigenschaft eines Spitzenfußballers. Erst recht, wenn er Abwehrchef ist. Nicht nur er selbst muss genau wissen, wo und wie er positioniert ist. Auch muss er wissen, wo alle anderen am Feld sind, und vor allem wie sich das Gefüge durch den zirkulierenden Ball gerade verändert. Und am wichtigsten: er muss all seinen Mitspielern Orientierung geben. An ihn müssen sie erkennen können, wie sie sich zu bewegen haben. Wissen, was zu tun ist.
Klassischerweise dirigiert der Abwehrchef eine 4er-Kette. Er ist selbst ein Teil von ihr. Seine Position ist zentral, die des regieführenden Innenverteidigers. Er ist das Bindeglied vom Tormann zu den Feldspielern, vom ruhenden Ball zum bewegten Ball. Er ist für den Spielaufbau verantwortlich, definiert weitgehend die Abseitslinie, putzt aus, wenn einer seiner Kollegen patzt, er glänzt in Tackles, kontrolliert führt der den Ball. Meist ist er groß gewachsen und enorm kopfballstark. Speziell auf der Insel sind Kopfballduelle entscheidend. Gewinnt man viele Kopfballduelle, nennt man das im Fußballjargon ‚Lufthoheit‘. Eine solche Hoheit ist leicht zu erkennen. Es ist der Abwehrchef und er trägt die Rückennummer 4.
Virgil van Dijk
Virgil van Dijk trägt die Nummer 4. Er ist Abwehrchef beim FC Liverpool und war einer der erfolgsverantwortlichen in den letzten drei Jahren.* Als er im Jänner 2018 vom FC Southampton wechselte, war er mit 75 mio. Pfund der höchst gehandelte Abwehrspieler. Unter seiner Ägide reifte das Team, erreichte 2018 das Champions League Finale, gewann schließlich die Champions League 2019 und erstmals seit über 30 Jahren wieder die Englische Meisterschaft, die Premier League 2019/20. 2019 wurde er außerdem zu Europas Fußballer des Jahres gekürt – als erster Verteidiger überhaupt. Im selben Jahr wurde er zudem in England zum „Players‘ Player of the Year“ gewählt. Der letzte Verteidiger, der diese Auszeichnung erhielt, war John Terry (FC Chelsea) 2005.
Wie wichtig Virgil van Dijk für seinen Club ist, sieht man aktuell beim FC Liverpool. Seit dem sechsten Spieltag fehlt er verletzungsbedingt und seit einiger Zeit bangt Erfolgstrainer Jürgen Klopp gar um den vierten Tabellenplatz. Aus dem FA Cup ist man gegen den Erzrivalen ausgeschieden.
Ein anderer Spitzenverteidiger mit Rückennummer 4, der die jüngere Premier League Geschichte mitgeschrieben hat, ist der Belgier Vincent Kompany, der von 2008 bis 2019 bei Manchester City spielte. Ihm gelang 2018/19 das wohl wichtigste Tor für den Klub in dieser Saison, das entscheidende 1-0 im Spiel gegen Leicester City. Dieses Tor (sein einziges in dieser Spielzeit) in der 37. Spielrunde besiegelte gleichsam den Meisterschaftsgewinn.
Ansonsten war er als Kapitän eher berühmt für sein Stellungsspiel, seine Übersicht, seine Lufthoheit, seinen Einfluss auf das Spiel und das seines Teams. Für typische Attribute einer Nummer 4, zu denen auch noch seine Bestimmtheit und Kompromisslosigkeit bei Zweikämpfen gehörte.
Billy Bonds
Früher mal war eben diese Eigenschaft, die Zweikampfhärte, die wohl wichtigste eines Vierers. Die West Ham United Legende Billy Bonds – 799 Spiele für die Hammers – spielte, was in den 70er und 80er Jahren nicht unüblich war, ohne Schienbeindeckel und mit heruntergezogenen Stutzen. Ein wahrlich harter Knochen, der mit West Ham als Kapitän 1975 und 1980 den FA Cup holte: „6 feet 2, Eyes of blue, Billy Bonds is after you” schallte es von den Rängen der Clarets and Blues. Bezeichnenderweise hatte die Nummer 4 genau 4x den “Hammer of the Year”-Award für sich entschieden. Die Osttribüne des 2016 bezogenen London Stadiums wurde nach ihm benannt.
Auch anderswo in Europa gelten die bereits erwähnten Hauptmerkmale des Spielers mit der Nummer 4. Einer, der seinem Team stets Orientierung und Halt gibt ist Sergio Ramos. Beinahe unzählige Spielausgänge hat er für Real Madrid (mit-)entschieden. Ein Parade-Vierer, den alle Gegner lieber in der eigenen Mannschaft hätten.
Sergio Ramos, Ivan Rakitić und Cesc Fàbregas
Nicht immer konnte Sergio Ramos die wichtigen Duelle für sich entscheiden, und nicht immer ist der Träger eines Leiberls mit der Nummer 4 auch ein Innenverteidiger. Das entscheidende Tor für den FC Barcelona im Auswärtsspiel gegen Real Madrid 2018/19 schoß die Nummer 4 – Ivan Rakitić – als er sich im Duell mit Sergio Ramos durchsetzte. Wie Ivan Rakitić spielte und spielt auch Cesc Fàbregas im Mittelfeld jahrelang schon mit der Nummer 4. Beim FC Arsenal, FC Barcelona, FC Chelsea und jetzt aktuell wieder beim AS Monaco (wo er zunächst mit der 44 auflief).
Die Nummer 4 und alle Spielernummern, wo eine 4 vorkommt, scheinen eine besondere Bedeutung bei Spielern vom Balkan zu haben. Sie wählen diese Rückennummern sehr gern bei ihren jeweiligen Clubs. Der Stürmer Ante Rebić spielte bei Eintracht Frankfurt 2019 mit der 4, Ivan Perišić bei Inter Mailand, und zuvor Bayern München, mit der 14 (für Kroatien mit der 4), Luka Milivojević, auch kein Verteidiger, wiederum mit der 4 bei Crystal Palace.
Weltmeister und andere
Weltmeisterschaftsturniere finden bekanntlich alle 4 Jahre statt und legendäre Vierer gab es deren viele. Der Kapitän der brasilianischen Weltmeistermannschaft von 1970 Carlos Alberto, der seine Leistung mit dem vierten Tor im Finale gegen Italien krönte. Im selben Turnier spielte Franz Beckenbauer, wie auch 1966, mit der Nummer 4. Weltmeister wurde Beckenbauer 1974 allerdings mit Rückennummer 5 (mit der er auch bei Bayern München spielte).
Das alles entscheidende Tor zum 3-1 im Finale von 1978 schoss die Nummer 4 Argentiniens, Daniel Bertoni. Später drückten dann etwa Patrick Vieira (Frankreich), Dunga (Brasilien), Glenn Hoddle (England), Ronald Koeman (Niederlande), Fabio Cannavaro (Italien) der Nummer 4 ihren Namen auf.
Lieblingszahl und Unglückszahl
Die Zahl 4 ist die Lieblingszahl von vielen Menschen und steht nach der 7, 3 und 8 an vierter (sic!) Stelle aller Lieblingszahlen**. In China, Japan und Korea gilt sie hingegen als Unglückszahl.
Jene Attribute, die dieser Zahl in unserem Kulturkreis zugeordnet sind, nämlich gelassen, einzelgängerisch, solide, verlässlich, nüchtern und umgänglich** passen auch wirklich gut zu den Spitzenfußballern mit der Rückennummer 4.
Solche Spieler braucht man in einem Team, um Meisterschaften oder Turniere zu gewinnen. Aktuell ist der FC Liverpool noch im Spiel um die Champions League Trophäe. Spätestens im Finale braucht es aber einen Vierer wie 2019 oder wie 2005 gegen AC Milan – einen wie Sami Hyypiä.
Aktuelle Spieler mit der Nummer 4 (Clubmannschaften):
Virgil van Dijk (FC Liverpool)
Toby Aldeweireld (FC Tottenham Hotspur)
Phil Jones (Man Utd)
Mohamed El Neny (FC Arsenal)
Andreas Christensen (FC Chelsea)
Fabian Balbuena (FC West Ham United)
Mason Holgate (FC Everton)
Çağlar Söyüncü (FC Leicester City)
Jannik Vestergaard (FC Southampton)
Sergio Ramos (Real Madrid)
Ronald Araújo (FC Barcelona)
Geoffrey Kondogbia (Atletico Madrid)
Karim Rekik (Sevilla FC)
Matthijs de Ligt (Juventus)
Ismaël Bennacer (AC Mailand)
Bryan Cristante (AS Roma)
Diego Demme (Napoli)
Patric (Lazio Roma)
Niklas Süle (FC Bayern München)
Willy Orban (RB Leipzig)
Jonathan Tah (Bayer Leverkusen)
Mamadou Doucouré (Borussia Mönchengladbach)
Maxence Lacroix (VfL Wolfsburg)
Thilo Kehrer (PSG)
Boubacar Kamara (Olympique Marseille)
Cesc Fàbregas (AS Monaco)
* Virgil van Dijk hat jedoch nicht immer die Nummer 4 getragen. Beim FC Southampton spielte er mit der 26. Zuvor bei Celtic Glasgow war es die Nummer 5, nur beim FC Groningen verteidigte er auch mit der Nummer 4.
** Alex Bellos: Warum die Elf hat, was die Zehn nicht hat; Berlin Verlag, 2015