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Soeben hat Elfride Jelinek ihre Aufstellung des Teams der Literaturnobel-preisträger bekannt gegeben. Es weist per definitionem idealistische Richtung aus. Ob es sich auch um das Vorzüglichste handelt, wird die erste Turnierphase zeigen.
Die Preisträger scheinen dabei in einer eher wenig koordinierten Art und Weise über das Feld platziert zu sein – in mehreren Ebenen, über ein unkonventionelles 2-2-3-1-1-1 System. Jelinek ist sich ihrer Sache jedoch absolut sicher. Ihr Registerspiel ist nicht nur auf der Orgel, nein auch in puncto Taktik und Überraschung vorzüglich. So befiehlt sie José Saramago (98), der blinde und sehende Städter in seinen gesammelten Werken vereint, eine permanente Position neben der linken Eckfahne einzunehmen, denn solange er von seinen Mitspielern nicht angespielt wird, kann er auch nicht im Abseits stehen – eine geniale Regelauslegung, die viele männliche Trainerkollegen bis heute nicht begreifen – außerdem verschafft diese Position das blitzschnelle Ausführen des Eckballes, vorausgesetzt natürlich, Saramago hat einen Satz beendet.
Obwohl das Team nominell über das wahrscheinlich beste Mittelfeld aller Intellektuellen verfügt, ist es gerade dort sehr anfällig. GB Shaw (25) und GG Marquez (82) tauschen allzu gern tiefsinnige Gedanken über Künstlerdoppelvornamen, Liebe in Zeiten des Drogenhandels und hundertjähriger Gleichgültigkeit aus. Und sollte simultan WB Yeats (23) bei geschlossenen Augen über wahre Visionen des tiefen Geistes meditieren, haben es die gegnerischen Angreifer natürlich leicht.
Es sei denn, und damit muss die Cheftrainerin eigentlich gar nicht spekulieren, der frisch geehrte Dylan (16) bindet möglichst viele Gegner an sich. Manche berichten, bei den Vorbereitungsspielen seien sogar Lagerfeuer von den Kontrahenten gemacht worden, bloß um dem Gitarren- und Mundharmonikaspiel des Barden in einer angemessenen Atmosphäre lauschen zu können.
Die Mittelstürmerin hingegen verdankt nur der Tatsache, den richtigen Künstlernamen gewählt zu haben, denn Jelineks größtes Idol ist die argentinische Stürmerlegende Batigol, im Aufgebot zu stehen. Gabriela wartet geduldig auf weitere Eingebungen des Erzengels, alternativ auch auf Vorlagen von Gabo (82), Einwürfe von Rolland (15), Auswürfe von Camus (57), und Steilpässe von Heinrich (72). Eine Diplomatin ist ja wahrlich kein Kopfballungeheuer, und so fragt sie sich, wie sie sich bei Flankenbällen am besten positionieren soll. Und weil die einzigen, die wirklich mit ihr Fußball spielen wollen, nämlich Fo (97) und Ivo (61), auch nur bei Eckbällen nach vorne kommen, stellt sie sich weitere diplomatisch bedeutsame Fragen: Ist der Rolland‘sche Torjubel Ecce Poeta! auch bei mir, Gabriela Mistral, angebracht? Und sind die Gegenspieler wirklich von der Jelinek‘schen Perücke am Haupt von Böll dermaßen beeindruckt, dass sie sich kaum aufrecht halten, geschweige denn laufen können?
Die Antworten, meine Freunde, weiß allein der Wind.