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Spielt man im Auftrag ihrer Majestät im Casino der britischen Weltpolitik, ist ein gewisser Glitzer- und Glamourfaktor vorgezeichnet: Maßgefertigter Smoking, geschüttelter Martini und leicht gehüllte Weiblichkeit, die es stets hervorragend versteht, allzu bezaubernd vom gefährlich brutalen Agentenalltag wie vom aktuellen Geschehen auf den Spieltischen abzulenken.
Auf dem Fußballplatz hingegen hat man ungleich schwierigere Aufgaben. Noch dazu, wenn man auf das Team der Gegenspieler des berühmtesten Doppelnullagenten trifft.
Die geheimnisvolle Schlangen-S-Formation ist ein Hinweis auf das Phantom, das es stets zu jagen gilt, um das Spiel zu entscheiden. Böse Zungen behaupten ohnedies, dass es in solchen Spielen nie Gewinner gibt und die Ergebnisse zumeist 0-0 lauten. Angesichts der mörderischen Strategien der Gegenspieler kann tatsächlich ein 0-0, gerade bei einem Heimspiel in London und einem groß auftrumpfenden Raoul Silva (21), als bestmögliches Resultat betrachtet werden.
Ernst Stavro Blofeld (1) ist Dreh- und Angelpunkt der Mannschaft. Lange Zeit vermutete man, er selbst sei das Phantom. Einige im MI6 schreiben diese Rolle eher seiner weißen Katze zu, andere Spezialisten wiederum sehen Trainer G als solitären Drahtzieher spectre-kulärer Attacken. Seine ausgeklügelten Spielzüge beginnen mit einem zunächst rückwärtsgewandten, aber hierarchischem Passspiel von der Nummer 1 bis zur Nummer 6. Häufig folgt ein langer Diagonalheber zum gefürchteten rechten Flügel Le Chiffre (7), bis der Ball im Angriffsbogen bei der Nummer 14, Dr. No, landet, der dann den tödlichen Schuß abgibt.
Unterbinden lässt sich das kaum.
Glücklicherweise tricksen sich die 007-Gegenspieler in ihren Allmachtsphantasien zumeist selbst aus. Der Schiedsrichter zeigt plötzlich Goldfinger (6) die rote Karte, weil er wiederholt mit dem falschen Ball spielt. Oder es gelingt keinem in der Mannschaft Laufwege und Finten ihrer Nummer 7 zu entschlüsseln. Scaramanga (42), Gewinner des goldenen Colts 1973/74, kann im Spiegelkabinett der eitlen Stürmer selbst nicht erkennen, woher gerade die Kugel kommt. Und Hugo Drax dringt gern zu weit in den Raum ein. Ab Minute 77 schwebt er oft permanent im Abseits, und ist somit nicht mehr anspielbar.
Die Hintermannschaft ist da wesentlich stabiler und nur schwer zu knacken. An Kananga (5), er steht unter dringendem Dopingverdacht, kommen Angreifer nur selten vorbei. Leben und Sterben lassen ist seine Devise, weshalb er von seinen Fans auch nur Mr. Big genannt wird. Karl Stromberg (3) und Emilio Largo (2), dessen Cousin Maximilian heute auf der Bank sitzt, sind aalglatte Verteidiger, deren Schwächen, etwa eine Störung in der Tiefenwahrnehmung, nur schwer auszumachen sind. Der indische Tempel wird schließlich vom seelenlosen Kamal Khan (4) bewacht. Er ist fast nur beim finalen Octopussyschießen (acht SpielerInnen schießen gleichzeitig vom Elferpunkt) oder im Würfelspiel zu bezwingen.
Die scheinbare Dominanz, die das Team der 007-Gegenspieler in beinahe jeder Partie von Beginn an zeigt, geht dann im Laufe der 90 Minuten mehr und mehr verloren. Nicht selten scheitern sie in der Nachspielzeit an der Überheblichkeit, die alleinige Weltherrschaft an sich zu reißen.
Dennoch sollte man sich vor diesen Männern in Acht nehmen. Und vor weißen Katzen. Schon der Zeugwart der 007-Gegenspieler, sie nennen ihn kurz P, soll einmal gesagt haben: „Nichts ist furchterregender als eine kleine weiße Katze auf dem Schoß eines älteren Mannes.“